WM-Halbfinale gegen Brasilien So fiebern deutsch-brasilianische Paare

Eva von Steinburg, 08.07.2014 11:25 Uhr

Am Dienstag ab 22 Uhr stehen viele deutsch-brasilianischen Pärchen vor einem Dilemma: Für wen sollen sie Daumen drücken? Die AZ hat einige von ihnen in München besucht.

München - Deutschland steht heute gegen Gastgeber Brasilien im Halbfinale. Ein kniffliger Tag für deutsch-brasilianische Paare in München. „Este jogo é fogo“ – dieses Spiel ist „heiß wie Feuer“, sagen die Brasilianer – und verziehen das Gesicht. Auch die DFB-Fans sind hochnervös. Ob beim Public Viewing im Olympiapark oder bei Trommel-Batucada im „Café Munich“ in Schwabing, der Hochburg der Brasilienfans: Viele deutsch-brasilianische Paare schauen die WM heute dann doch lieber getrennt. Wir haben nachgefragt.




Brasilianerin Manuela (46, Volkswirtin) und Pädagoge Georg Rodenbach (66, ehemals für die SOS-Kinderdörfer in Brasilien zuständig) schauen das Spiel daheim in Obermenzing.

Georg: „Ich bin heute für Deutschland, obwohl ich 35 Jahre in Brasilien gelebt habe. Die deutsche Heimat sitzt einfach tiefer, das spüre ich klar. Das DFB-Team ist eine super Gemeinschaft von unglaublicher Schlagkraft und Durchhaltevermögen. Falls Dante gegen seine Mannschaftskameraden vom FC Bayern eingesetzt wird, wird es irrsinnig spannend für mich persönlich. Denn den Bayern-Star Dante habe ich als Botschafter für die SOS-Kinderdörfer gewonnen.“

Manuela: „Mein Herz schlägt mehr für Brasilien. Meine Familie kommt aus Salvador. Für das Land ist es unsagbar wichtig, das heutige Spiel zu gewinnen. Für das Spiel ziehe ich mein Kleid aus einer Brasilienflagge an und grün-gelbe Ketten. Wenn mein Mann neben mir dann für Deutschland schreit, stört mich das gar nicht. Ich bin da tolerant und nicht gebunden an eine nationale Identität.“

„Ein Aus würde ich verkraften“



Martin Sommer (36), Entwicklungsingenieur und Eliane Gomes (36), die in München brasilianisches Theater spielt, sind verheiratet. Das Paar wohnt in der Maxvorstadt. WM schauen sie heute lieber getrennt:

Martin: „Nachdem Neymar unfair beseitigt wurde, habe ich Angst, dass Brasilien verliert. Und dann möchte ich nicht sehen, wie Eliane leidet. Deshalb gehe ich zu Freunden. Ich bin nicht sicher, ob sich so stolz sein werde, wenn wir Deutschen heute gewinnen, weil ja Brasiliens Superstar fehlt. Aber sagen wir es mal so: Ein Aus für die brasilianische Mannschaft würde ich schon verkraften …“

Eliane: „Mein Mann will nicht, dass seine Prinzessin traurig ist. Aber ich werde keinen Grund dazu haben, denn für mich ist klar, dass die Seleção gewinnt. Obwohl ich die Deutschen wirklich mag. Ich schaue das Spiel im Café Munich an der Leopoldstraße. Dort ist es wie in Brasilien: Trommeln, Musik, alles voller Brasilianer, eine wunderbare Energie. Ich singe unsere Nationalhymne aufrecht, mit der Hand über dem Herzen. Ich werde das ganze Spiel über Stehen, bin viel zu nervös, um zu sitzen.“

„Vor dem Spiel ein Stoßgebet“



Roberta (40, Heilpraktikerin) aus São Paulo und Markus Maczey (38, Kreativ-Direktor) wohnen in der Maxvorstadt. Sie sind seit neun Jahren glücklich verheiratet. Heute Abend aber gäbe es Krieg auf der Couch.

Roberta: „Mein Mann fiebert für Deutschland, ich für Brasilien. Vor dem Spiel werde ich ein Stoßgebet für die Seleção Richtung Himmel schicken. Ich schaue das Spiel mit einer brasilianischen Freundin – ohne Markus. Diese Partie gegen die deutsche Mannschaft, die ich auch sehr mag, wird für Brasilien zum Glück sicherlich zivilisierter laufen, mit weniger Fouls.“

Markus: „Ich gehe zum deutschen Halbfinale zu Freunden, denn Roberta und ich halten die Kommentare des Anderen schlecht aus. Natürlich ist nach fünf Minuten zwischen uns alles wieder gut. Aber es ist an der Zeit, dass wir weiterkommen. Deutschland ist die beste Mannschaft. Sie hat drei Sterne auf dem Trikot und Brasilien fünf – das darf nicht weiter auseinandergehen! Mein Tipp: 3:0 für Deutschland.“

„Deutsche Mannschaft ist stabiler“



Fotokünstlerin Silke Eberspächer (47) und Tom Carneiro (52, Architekt aus Rio de Janeiro), leben mit Sohn Flávio (9) in Harlaching:

Silke: „Ich bin kein Fußballfan und bei Deutschland-Brasilien nicht in München. Wahrscheinlich werde ich erst am Mittwoch erfahren, wie das Spiel ausgegangen ist. Der bessere soll gewinnen.“

Tom: „Ich bin sehr gespannt auf das Spiel und schaue es im Home-Office am Computer, während Flávio schlafen muss. Alleine kann ich mich voll konzentrieren und die Brasilianer mental anfeuern. Die Gewalt verdirbt mir aber einigermaßen den Spaß am Fußball, das ist ja ein Gladiatorenkampf. Die deutsche Mannschaft ist stabiler und spielt gleichmäßiger, als die Brasilianer. Dafür ist Brasilien immer für eine Überraschung gut.“

Flávio: „Ich bin für Brasilien, weil die eine supercoole Mannschaft sind. Wenn sie die WM gewinnen, haben sie den sechsten Stern.“

"Da hängt der Ehesegen schief"



Er ist in Rosenheim geboren – und hat es bis nach Amerika geschafft: Marco Kreuzpaintner (37) galt schon früh als deutsche Regie-Hoffnung, verfilmte Preußlers „Krabat“ und drehte sogar mit Kevin Kline.

Fußball-Fan ist der Bayer seit seiner Kindheit. Bei der WM fiebert er natürlich mit, trägt gern Trikots der deutschen Nationalmannschaft (allen voran von Poldi). Beim Halbfinalspiel Deutschland-Brasilien geht es bei Marco auch privat besonders rund. Denn der Filmemacher ist verheiratet mit dem smarten Brasilianer Gilardi. Deshalb schlägt sein Herz mitunter brasilianisch.

Kürzlich kommentierte er einen Brasilien-Sieg auf Portugiesisch und facebookte: „Heute sind wir alle Brasilianer! Glückwunsch!“ Doch am heutigen Abendsieht das etwas anders aus. Augenzwinkernd teilte er mit: „Halbfinale! Auch noch gegen Brasilien. Na, da hängt der Ehesegen schief.“